Auch zwanzigeins und nicht nur einundzwanzig!

Herzlich willkommen bei Zwanzigeins e.V., dem Verein zur Reform der deutschen Zahlensprechweise.

Die kulturelle Bedeutung des Stellenwertsystems: Wozu ist Mathematik gut?

Unsere Zwanzigeins-Initiative argumentiert für eine stellenwertgerechte Zahlensprechweise. Wir betonen den Konflikt der traditionellen Sprechweise mit dem Stellenwertsystem, d.h. mit der systematischen Abfolge Hunderter-Zehner-Einer. Kritiker verweisen dagegen auf die historische und kulturelle Dimension der deutschen Sprache und erkennen im Stellenwertsystem keine derartige Grundlage.

20 Jahre Zwanzigeins e.V. und aktuelle Studien    

Am 14.06.2004, also heute vor 20 Jahren, wurde unser Verein in Bochum auf Initiative von Lothar Gerritzen gegründet. Auch aufgrund dieses Anlasses hat der Vorstand beschlossen, Prof. Dr. Lothar Gerritzen posthum in den Stand eines Ehrenvorsitzenden zu erheben und diese besondere Ehrung unseres Gründers auf der kommenden Mitgliederversammlung zu beantragen. Für uns - als Zwanzigeins e.V. - ist aber der 14.06.2025 das eigentliche Jubiläumsdatum, denn dann besteht unser Verein zwanzigeins Jahre, und dann werden wir einen Rückblick versuchen. Wir möchten deshalb bereits heute auf dieses Datum hinweisen und bitten schon jetzt um die Zustellung von Fotos und Berichten aus den Anfangsjahren unseres Vereins und andere Infos etc., die für einen solchen Anlass angebracht sind.

Was will der Verein?

Im Deutschen lesen und schreiben wir von links nach rechts. Das stimmt aber nicht für die Zahlen. Anders als z.B. in den romanischen Sprachen, im Englischen, im Ukrainischen, im Russischen, im Türkischen oder im Chinesischen, spricht man im Deutschen die Zahl 123 nicht von links nach rechts als „hundert-zwanzig-drei“, sondern in verdrehter Abfolge als „hundert-drei-und-zwanzig“. Das widerspricht der Logik des Stellenwertsystems, d.h. der geordneten Zahlenfolge von Hunderter-Zehner-Einer.

Der Verein will die unverdrehte, d.h. die stellenwertgerechte Zahlensprechweise im Deutschen populär und gesellschaftsfähig machen. Wir wollen erreichen, dass sie als eine richtige Sprechweise allgemein anerkannt wird. Insbesondere wird damit auch bewirkt, dass das Erlernen der deutschen Zahlwörter für Menschen mit anderer Erstsprache als Deutsch in vielen Fällen erleichtert wird.

Wir vertreten die Auffassung, dass es ein wesentlicher Bestandteil des Mathematikunterrichts sein muss, über die Eigenart der deutschen Zahlnamen zu sprechen und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu thematisieren. Der österreichische Lehrplan für die Volksschule gibt dies auf S. 73 in Form eines Hinweises zu den inhaltlichen Kompetenzbereichen (1. bis 4. Schulstufe) bereits vor. Die stellenwertgerechte Zahlensprechweise, d.h. von links nach rechts, also so wie wir Texte schreiben und lesen, sollte auch in der Schule gelehrt werden. 

Wir erheben die Forderung, dass jedes Schulkind im deutschsprachigen Raum die unverdrehte Zahlensprechweise kennen lernen und ausprobieren soll. Wir unterstützen Lehrpersonen, die diese Inhalte in ihrem Unterricht in eigener pädagogischer Verantwortung aufnehmen (siehe hierzu Zwanzigeins – Unterrichtsversuche und Zwanzigeins – Empirische Studien)Durch ein besseres Verständnis für Zahlennamen könnten viele Kinder tiefere Einsicht in unser dekadisches Stellenwertsystem erlangen, und dies könnte auch dazu beitragen, dauerhafte Schwierigkeiten beim Lernen von Mathematik zu verringern. Didaktiker betonen, dass „eine inverse Zahlschreibweise und Zahlendreher die Entwicklung eines tragfähigen Stellenwertverständnisses verhindern können“ (Schipper W, Ebeling A, Dröge R, 2022. Handbuch für den Mathematikunterricht: 2. Schuljahr. Braunschweig: Westermann, S. 7). 

Diese Sanfte Reform ist längst überfällig. Wir appellieren an die Hochschulen der Lehrerausbildung, an die didaktischen Fachgesellschaften für Mathematik und Deutsch, an die Fachbereiche der Erziehungswissenschaft, an die medizinischen Disziplinen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Pädiatrie, an die Psychotherapeutischen und Lerntherapeutischen Fachverbände sowie an verwandte Einrichtungen und an die zuständigen Stellen in Ministerien und Schulen, an der Umsetzung der Vorschläge von Zwanzigeins e.V. mitzuwirken.

Wir sind auch der Auffassung, dass die Darstellung der deutschen Zahlensprechweise in den gegenwärtig verwendeten Schulbüchern ungenügend ist. Zumeist wird so getan, als gäbe es keine Besonderheit. Es wird dogmatisch angeordnet und ignoriert, verschwiegen und verdrängt, dass hiermit ein Problem beim Erlernen gegeben ist. Es soll aber offen und explizit ausgesprochen werden, welche komplizierten Verdrehregeln beim Lesen von Zahlwörtern, insbesondere bei solchen mit Komma, zu beachten sind. Auch sollte Geschichtliches über alte schriftliche Zahlendarstellungen und über die Einführung des dekadischen Stellenwertsystems um 1500 ins Deutsche dargelegt werden. Damit kann erklärt werden, woher die verdrehte Sprechweise kommt. Denn im ausgehenden Mittelalter wurde eine Revolution bei der schriftlichen Form der Zahlendarstellung durchgeführt. Das schwerfällige römische Buchstabensystem wurde durch das elegante und bis heute gültige indo-arabische Stellenwertsystem ersetzt. Man hat jedoch versäumt, eine vergleichsweise harmlose Reform und Anpassung der mündlichen Darstellung vorzunehmen, obwohl es solche Vorschläge gab (siehe unter Zwanzigeins – Chronik den Vorschlag Jakob Köbels von 1520). 

Wenn ein Schulkind heute eine Lehrperson fragt, warum die Zahlensprechweise verkehrt ist, wird das Kind kaum eine angemessene Antwort erhalten. Es kann doch niemand wollen, dass dieser Zustand so bleibt.

Hat die verdrehte Sprechweise Auswirkungen? Der Sprachwissenschaftler Haarmann formuliert: “… das Denken mit Zahlbegriffen [wird] durch die Verwendung konventioneller Zahlwörter konditioniert“ (Harald Haarmann, 2008. Weltgeschichte der Zahlen. München: C. H. Beck, S. 37). Diese Konditionierung verfestigt den „Widerspruch zwischen der akustischen und der logisch entwickelten Vorstellung des Zahlenbildes“, und dieser Widerstreit irritiert Schulkinder permanent, „weil stets zwei entgegengesetzt gerichtete Zahlvorstellungen hervorgerufen werden“ (Martin Schellenberger, 1953, Zahlwort und Schriftbild der Zahl. Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 58). 

Wir beobachten: Deutsche Schulkinder der vierten Klasse zeigen in internationalen Vergleichen eine deutlich schlechtere Leistung in Mathematik als gleichaltrige aus vergleichbaren Staaten der EU und der OECD. Und dies liegt allein an einer schwachen Leistung im Zahlenverständnis und im Rechnen (siehe Zwanzigeins – TIMSS). Ob diese schlechte Leistung mit der verdrehten Sprechweise zusammenhängt, wurde leider nicht untersucht. Wir fordern deshalb, dass die Mängel der bisherigen deutschen Zahlensprechweise durch wissenschaftliche Studien in der Erziehungswissenschaft festgestellt und bekannt gemacht werden. Psychologen haben sich mit diesem Thema bereits befasst und Nachteile klar erwiesen und dokumentiert (siehe die Zusammenstellung bereits gesicherter neuro- und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse zur Auswirkung der deutschen und niederländischen aber auch der englischen Zahlensprechweise). Und in einem Schulversuch mit unserer frei verfügbaren Zwanzigeins-App ergaben sich für Kinder der zweiten Schulstufe in Österreich relevante Vorteile einer unverdrehten Sprechweise bei Eingabe von Zahlen in Ziffernform am Tablet oder Laptop: eine deutlich höhere Geschwindigkeit und substanziell weniger Fehler bei Diktat der Zahlen in stellenwertgerechter Form im Vergleich zur traditionell-verdrehten Sprechweise (siehe hierzu Zwanzigeins – Unterrichtsversuche). „Wir übertragen die Vorteile des dekadischen Systems auf das gesamte Rechnen und setzen im Kopfrechnen die logische Übung an die Stelle des Gedächtnistrainings“ (Schellenberger 1953, S. 59).

Der Fernsehsender ARTE hat einen Animationsfilm erstellt (Dauer: 5,5 min), den wir als knappe Einführung in die Thematik empfehlen.
Zur Einführung ist auch dieses Radio-Interview mit unserem Vorsitzenden Peter Morfeld im WDR geeignet.
Eine Zusammenfassung des Wissenstands zu den Auswirkungen der verdrehten Zahlensprechweise bei Schulkindern enthält das Editorial „Zwanzigeins“ von Peter Morfeld und Anita Summer in der Fachzeitschrift „Lernen und Lernstörungen“.

Wir sind kein "Anti-Einundzwanzig"-Verein, und es ist nicht unser Ziel, die heute gebräuchliche, verdrehte Art des Zahlensprechens abzuschaffen, da beide Sprechweisen, wie man am Beispiel des Tschechischen sehen kann, gut nebeneinander existieren können. Wir haben deshalb einen Entwurf für die Reform der deutschen Zahlwörter im Detail ausgearbeitet: siehe Zwanzigeins – Vorschlag Zahlensprechweise.

Man spricht dann etwa auch

  • zwanzigeins statt einundzwanzig für 21

  • zweihundertvierzigsieben statt zweihundertsiebenundvierzig für 247

  • fünfzigdreitausendsiebenhundertsechzigneun statt dreiundfünfzigtausendsiebenhundertneunundsechzig für 53769


Wir unterstellen nachteilige Auswirkungen der verdrehten Sprechweise für folgende Bereiche, aber auch fehlende Erkenntnisse und eine mangelhafte Auseinandersetzung mit der Problematik:

Im didaktischen Bereich

Insbesondere im Mathematikunterricht der Grundschulen stellt die deutsche Zahlensprechweise für viele Schulkinder ein beträchtliches Lernhindernis dar. Es ist dringend geboten, dass die politisch Verantwortlichen empirische Untersuchungen in Auftrag geben, um das Ausmaß der dadurch bedingten Lernschwierigkeiten festzustellen. 

Im wirtschaftlichen Bereich

Aufgrund der erhöhten Fehlerquote bei der Weitergabe von Zahlenangaben entsteht wirtschaftlicher Schaden. Es ist notwendig, diesen Umfang realistisch abzuschätzen.

Im politischen Bereich

Vielen Ausländern wird das Erlernen des Deutschen durch die eigentümliche deutsche Zahlensprechweise erschwert. Dies kann politisch nicht gewollt sein.
Im Rahmen der europäischen Einigung ist eine Anpassung von nationalen Standards notwendig. Man sollte das verdrehte deutsche Zahlenaussprechsystem an das Stellenwertsystem anpassen, und damit auch an international gebräuchliche Sprechstrukturen, wie sie u.a. im Englischen, Spanischen, Italienischen, Tschechischen, Polnischen, Russischen, Finnischen, Schwedischen, Norwegischen, Türkischen, Chinesischen und Japanischen verwendet werden.


Um diese Ziele zu verwirklichen, haben wir folgende Forderungen:

Forderung A

Die für den Schulunterricht verantwortlichen gesellschaftlichen Gruppen, Gremien, Ministerien und Behörden sind angehalten, empirische Untersuchungen in Auftrag zu geben, in denen erforscht werden soll, inwieweit die deutsche Zahlensprechweise im Mathematikunterricht an Grundschulen für viele Schüler ein Lernhindernis darstellt.

Forderung B

Die Durchführung von Schulversuchen mit der unverdrehten Zahlensprechweise im Mathematikunterricht soll von den Kultusministerien der deutschsprachigen Länder genehmigt werden.

Forderung C

Die bildungspolitischen Kreise in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden aufgerufen, eine gründliche Bewertung der Reformvorschläge zur deutschen Zahlensprechweise vorzunehmen.